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Reisebericht: Kurogi, Miyama, 15. April 2023

Akiyama-san zeigt uns seine TeebüscheHeute besuchen wir Koga-chagyo. Auf dem Programm stehen Besichtigungen von Gärten, einer Aracha-Fabrik und der firmeneigenen Shiagecha-Fabrik. Heute wird ein Autotag. Vor dem Ryokan werden wir von Kumiko Koga und ihrer Übersetzerin Oda-San abgeholt und fahren eine Stunde Richtung Süden. Wir streifen viele kleine Dörfer, alle durchsetzt mit Teegärten. Gegen Ende der Fahrt gewinnen wir an Höhe. Der Wald wird dichter, die Strassen enger. Die Gegend heisst Kurogi und liegt etwas südlich Hoshino.

Wir machen Halt, steigen aus und schauen uns um. Zwischen hohen Bäumen in einem sanft ansteigenden Hang blicken wir ins wolkenverhangene Tal. Hier könnte ich stundenlang spazieren gehen, aber wir sind für den Tee hier! Wir haben wirklich unglaubliches Glück. Es ist kurz vor der Ernte und die Büsche leuchten uns in intensivstem hellgrün entgegen.

Bei sanftem Nieselregen laufen wir hoch in den Teegarten. Wobei Teegärten das bessere Wort wäre. Es sind Gruppen von Buschreihen, die sichtbar zueinander gehören, diese Gruppen unterscheiden sich meistens entweder in der verwendeten Varietät oder in der Form in der sie zurechtgestutzt wurden: eckig, rund oder natürlich. Im übernächsten Reisebericht von Shizuoka werde ich etwas genauer auf den Vorgang der maschinellen Ernte eingehen.

Koga-san macht ein kurzes Telefonat und zwei Minuten später kommen zwei in Ölzeug gepackte Männer vom anderen Ende der Anhöhe auf uns zu gelaufen. Es handelt sich um den Teebauern, der diese Gärten bewirtschaftet namens Akiyama-san und dessen Sohn. Sie begrüssen uns freundlich und führen uns in ihren Gärten herum.
Akiyama-san konzentriert sich vor allem auf Gyokuro. Also die höchste Qualität des japanischen Grüntees. Heute begegnen uns sehr viele Gründe warum Gyokuro so viel teurer ist als andere Tees aus Japan.

Durch die Bäume hindurch sehen wir die TeelandschaftTeegärten von Akiyama-sanAkiyama-san öffnet für uns einen bedeckten Gyokuro-Teegarten

Akiyama-san in seinem Teegarten mit Saemidori für handgepflückten Gyokuro für den WettbewerbAkiyama-san ist ein Mensch mit sehr ausdrucksstarkem Gesicht. Seine wettergegerbte Haut und die kraftvoll anmutenden Handgriffe zeugen von der harten Feldarbeit.
Er besitzt etwa drei Hektaren Teegärten, davon ist etwa ein Zehntel für Gyokuro bestimmt. Neben dem Tee hat er noch ein paar Reisfelder, je nach Saison reicht der Ertrag der Teefelder nicht für den Lebensunterhalt.

Er führt uns zu seinem aufwändigsten Garten der für den diesjährigen Wettbewerb bestimmt ist. Hier werden zwei Varietäten angebaut, Saemidori und Tsuyuhikari. Die Büsche sind hochgewachsen und bieten einen herrlichen Anblick unter den Reisstrohmatten.
Wobei sie nur auf den ersten Blick naturbelassen aussehen. Herr Akiyama erzählt uns, dass er im Winter jeden Busch von Hand mit einem Knipser zurückstutzt. Je nach Zustand der Pflanze wird mit diesem Schritt bestimmt an wie vielen und welchen Ästen neue Blätter spriessen werden, wo neue Verästelungen dazu kommen sollen, wo das Wachstum der Pflanze gehemmt werden muss. Der Aufwand ist enorm, es sind hunderte, wenn nicht sogar tausende Büsche, alleine für diesen Wettbewerbsgarten. All das nur, um ein optimales Wachstum zu begünstigen.

Drei bis vier Wochen vor der Ernte bringt er die Schilfmatten über den Pflanzen an. Eine Arbeit die nochmals einige Tage fordert. Für die ersten zwei Wochen liegt die Beschattung etwa bei 75%, was einer Schicht Schilf entspricht. Danach wird das Netz, welches unter den Schilfmatten vorbereitet wurde, als zusätzliche Schicht darunter angebracht. Was je nach Alter der Schilfmatten einer Beschattung von 95%-98% entspricht. Doch es gibt keine handfesten Regeln. Er muss den Fortschritt des Wachstums beobachten und entsprechende Anpassungen bei der Beschattungsstärke machen.

Weil die Büsche hochwachsen und die Äste nicht nur am obersten Ende Blattknospen treiben kann nur von Hand geerntet werden. In zwei Wochen werden hier 30 Leute 5 Stunden lang insgesamt etwa 40kg frische Blätter ernten. Fertig verarbeitet entspricht das 5kg Tee.

Wir gehen weiter und schauen uns noch einige seiner Gärten an. Keine wird so aufwändig bewirtschaftet wie die für den Wettbewerb. Die Pflege und Beschattung werden mit effizienteren Methoden ausgeführt. So zum Beispiel mit maschineller Ernte oder Plastiknetzen anstelle von getrocknetem Schilf.

Teepflanzen der Varietät SaeakariTeepflanzen der Varietät SaemidoriTeepflanzen der Varietät Yamakai

Beschatteter TeegartenBeim Beschatten greifen TeeproduzentInnen sanft und auf natürliche Weise in den Stoffwechsel der Pflanze ein, um eine Optimierung des Geschmacks zu erzielen.
Ich möchte nicht zu lange in den inneren Vorgängen der Teepflanze herumstümpern, aber ein Mini-Exkurs soll in dieser Ausgabe des Reiseberichts drin liegen. Schliesslich ist auf jedem zweiten Foto diese Überdachung zu sehen und die Folgen für den Geschmack des Tees, der mit diesem einfachen Vorgang erzielt wird, ist schlichtweg fantastisch.

Stark vereinfacht und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Niemandes Grosshirnrinde soll beim heraufbeschwören alter Chemieunterrichtszenen zu schaden kommen:
Der wichtigste Prozess, der beim Beschatten manipuliert wird ist die Photosynthese - dieser wunderliche Prozess, bei dem Pflanzen Lichtenergie in chemische Energie umwandeln.
Bei reduziertem Sonnenlicht kann die Photosynthese weniger effizient betrieben werden und die Pflanze versucht diesen Mangel mit einer Überproduktion an Chlorophyll zu kompensieren, was eine Reihe von biochemischen und somit aromatischen Folgen hat. - Das krasse Umami und die Süsse dieser Tees ist mit den höheren Konzentrationen an Aminosäuren zu erklären, die die Pflanze gezwungenermassen aus den Zellproteinen herstellen muss.
- Katechine dienen als eine Art Sonnenschutz der Pflanze. Bei beschatteten Pflanzen muss der Busch viel weniger davon produzieren. Katechine schmecken wir Menschen als adstringierenden Geschmack. Beschattete Gärten ergeben also immer weichere, elegantere Tees.

Neben der Photosynthese wird auch das Mikroklima in den Buschreihen verändert. Der Wassergehalt der Luft ist höher. Wetterbedingte Einwirkungen wie Frost und Wind werden abgemildert. Neue Blätter wachsen bei zunehmender Beschattung langsamer, sind weich und dünn. Alles dem Geschmack zuträgliche Aspekte.

Akiyama-san führt uns durch die Aracha-FabrikAls wir unseren Rundgang beendet haben fahren wir zu der fünf Minuten entfernten Aracha-Fabrik, die uns Akiyama-San zeigt. Hier werden seine frisch geernteten Blätter zu rohem, unfertigen Aracha verarbeitet.
Die kleine Halle sieht etwas trostlos aus. Die Saison hat noch nicht begonnen und die Maschinen standen über Monate still. In dieser Fabrik wird sehr hochwertiger Tee, vor allem für den Wettbewerb verarbeitet.

In einem ersten Schritt werden die Blätter etwa eine Minute lang mit heissem Wasserdampf behandelt. Damit werden die Enzyme deaktiviert, welche die Blätter oxidieren, der Tee bleibt grün.
Anschliessend wird in verschiedener Weise kontinuierlich Druck auf die Blätter ausgeübt und Hitze hinzugefügt. Die Blattsäfte treten aus, einzelne Inhaltsstoffe reagieren miteinander. In grossen Trommeln gewendet und gedrückt, unter kreisenden Bewegungen massiert und mit sanftem Druck in längliche Nadeln geplättet bekommen die Blätter ihre typische Form. Zum Schluss wird der Tee im Ofen getrocknet.

Vom frischen Blatt bis zum trockenen Tee dauert es etwa vier Stunden. Währenddessen müssen die Prozesse im Blatt ständig verfolgt und kontrolliert werden. Von vollautomatischen Maschinenparks kann hier nicht die Rede sein. Die Maschinen werden von sechs erfahrenen VerarbeiterInnen bedient, die von den Teebauern angestellt sind. Der restliche Transport zum Teemarkt und der dortige Verkauf wird dann über die Japan Teafarmers Association organisiert. Koga-kagyo kauft dann auf diesem Teemarkt den Aracha, veredelt ihn zum fertigen Shiagecha und bringt ihn in den Handel. An diesem Punkt kommen wir als Teeladen ins Spiel. Faszinierend wie die Wege vom Kleinen ins Grosse und wieder zurück führen.

Die beiden Produktionslinien in dieser Fabrik haben je eine Kapazität von 60kg frischen Blättern, die laut Akiyama-san jedoch selten ausgeschöpft wird. Als die Fabrik 1999 eröffnet wurde waren es hundertzwanzig Teebauern, die ihr Pflückgut in diese Halle zum Verarbeiten brachten. Heute sind es noch etwa vierzig. Darunter auch Oyamada-san von dem wir einen Gyokuro im Sortiment führen. Wir bedanken und verabschieden uns von Akiyama-san und seinem Sohn. Eine spannende Begegnung.

Die Aracha-Fabrik. im Vordergrund die Behälter für die frischen BlätterDie Maschine zum Dämpfen (Befeuern) der frischen TeeblätterHier werden die Blätter geknetet und massiert, der Fachbegriff ist MalaxationMit diesen Heugabeln werden die gedämpften Blätter massiertAnschliessend wird das Blattgut gerollt, um die Flüssigkeit von innen nach aussen zu bringenMit diesen Maschinen werden die Blätter in ihre nadelartige Form gebracht

Der Laden von Koga ChagyoEine Stunde Auto später, gegen zwei Uhr, kommen wir bei Koga-chagyo an. Es liegt etwas südwestlich von Yame in Miyama. Wie bei Hoshino ist auch ihr Laden neu. Neben dem Eingang steht eine kleine Bäckerei die von Kumikos Schwester betrieben wird. Wir werden in den oberen Stock geführt und nehmen in einem sehr grossen und nahezu leerstehenden Raum Platz. Hier werden wir von Kumikos Eltern empfangen. Ihr Vater, Masahiro Koga ist der CEO. Sie servieren einen Gyokuro von Akiyama-san. Sehr fein, ein etwas breiterer, stinkigerer Charakter und weniger poliert als wir es von anderen kennen. Sehr spannender Gyokuro! Dann gibt es Mittagessen. Nach dem starken Grüntee auf leeren Magen sehr willkommen.

Nach dem Essen führen sie uns durch die Fabrik. Das Ausmass der Produktionshallen ist kein Vergleich mit denen, die wir bis jetzt gesehen haben. Hier können bis zu 3 Tonnen Shiagecha an einem Tag verarbeitet werden. Die Prozesse sind dieselben. Aussortieren, die Blätter in eine einheitliche Grösse bringen, trocknen, mischen und abpacken. Nur die Maschinen und die Räume, in denen sie stehen sind sehr viel grösser. Auch die Hygienestandards sind auf einem anderen Niveau. In einem weissen Einweghygieneanzug mit Kapuze und Maske gehts durch eine Luftschleuse in die Produktionshallen.
Maschinen in der Shiagecha-FabrikWie gesagt, alles sehr gross, sehr sauber und sehr professionell. Im vorderen Teil des Kühlraumes, in dem die Tees gelagert werden, hätte locker ein Mehrfamilienhaus Platz. Kartons voller vakuumiertem Tee stapeln sich meterhoch.
Wir werden durch die verschiedenen Verarbeitungsschritte geführt, aber wegen dem Lärm der Maschinen ist die Übersetzerin und somit der Produktionsleiter nur schwer zu verstehen. Im zweiten Stock ist es einfacher, den Ausführungen zu folgen. Hier wird der fertige Tee ein letztes Mal kontrolliert und abgepackt. In einem Nebenraum wird Tencha zu Maccha gemahlen. Vier davon sind traditionelle Steinmühlen, dieselben wie wir sie in Hoshino gesehen haben. Auf der anderen Seite des Raumes stehen grosse rotierbare Aluminiumtrommeln. Sie sind gefüllt mit Keramikkugeln, die bei Betrieb die Blätter zwischen sich verreiben. Eine andere, günstigere Methode der Macchaherstellung.

Wir begutachten den trocknenden TeeDie traditionellen Macchamühlen aus SteinDie modernen Keramikmühlen

Nach der Führung degustieren wir mit Masahiro Koga noch zügig ihren diesjährigen Shincha. Danach zurück ins Büro, Gespräche über Bestellmengen und mögliche neue Tees. Wir bekommen wieder einen grossen Sack mit Mustern, die Menge an Mustern, die wir zurück in Bern degustieren werden müssen steigt ins unermessliche. Nach der Verabschiedung fahren wir eine Stunde zurück ins Ryokan. Nach einem ausgiebigen Abendessen und einem Bad in den hiesigen heissen Quellen gehen wir wie immer früh schlafen. Morgen geht es nach Kyoto.

Tobias Hurschler, Kawanehon, 20.-22. April 2023

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Grüntee Sets aus Japan und China

Anfang 2021 haben wir angefangen, von ausgesuchten ProduzentInnen Sets mit verscheidenen Tees anzubeiten: aus Japan die Sencha Varietäten aus Shizuoka und Iruma mit je fünf Sencha aus unterschiedlichen Teepflanzensorten, aus China die Grüntee Varianten Xinchang mit verschieden verarbeiteten Grüntees in den Formen Longjing, Maofeng und Zhucha.
Zwei Sets mit Sencha Varietäten 2022
Grüntee Varianten Xinchang 2022

Kundenreisen zum Tee mit Länggasstee

Wir haben uns sehr gefreut, die Teereisen 2024 nach Ostchina und Südchina durchführen zu können. Wir freuen uns schon auf die nächsten Reisen im Frühling 2025. Mehr Infos siehe unter:

Teereisen
Kundenreisen zum Tee mit Länggasstee 2024

Frische Pu Er Sheng Cha 2023

Auch im Jahr 2023 haben wir im Frühling wieder rohe Pu Er Cakes aus alten Teebäumen produzieren lassen - Pu Er Sheng Bing Gu Shu Cha. Wir konnten wieder nicht vor Ort sein, durch unsere langjährigen Kontakte zu ProduzentInnen und HändlerInnen ist die Produktion hochwertiger Pu Er aus alten Teebäumen fast schon Routine geworden:

Rohe Pu Er Cakes 2023 aus alten Teebäumen

Das Buch über Tee

Gong Fu Cha. Tee als Handwerkskunst und das bewusste Geniessen: Das erste Teebuch, geschöpft aus dem Fachwissen von Länggass-Tee.

Einblick in das Buch (pdf)
Unser Tee Buch bestellen im Onlineshop
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